Als ältestes Familienunternehmen der Welt gilt das Ryokan – also Reisegasthaus – Hõshi im japanischen Ort Awazu-Onsen. Gegründet im Jahr 718 wird es heute in der 46. Generation geführt. Ein guter Beweis dafür, dass Familienunternehmen über Jahrhunderte Erfolg haben können. Auch im Rheinisch-Bergischen Kreis gibt es zahlreiche erfolgreiche Familienunternehmen mit langer Tradition. In dieser „punkt.RBW“-Ausgabe werden mehrere dieser Unternehmen vorgestellt, beispielsweise das Hotel „Zur Eich“ in Wermelskirchen mit seiner knapp 180-jährigen Geschichte, aber auch solche, die erst am Beginn einer hoffentlich noch langen Tradition stehen, wie der Ferienhof Biesenbach in Kürten. Wir sprachen mit den Geschäftsführern von sieben Firmen aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis über Wettbewerbsvorteile eines Familienunternehmens, aber auch über Probleme und Risiken, die sich beispielsweise beim Generationenwechsel ergeben. In den Gesprächen haben sich zwölf Thesen herauskristallisiert, die versuchen sollen, die Fragen zu beantworten: Was macht Familienunternehmen so besonders? Und was ist charakteristisch für sie?
Eines der Familienunternehmen mit der längsten Geschichte in unserer Region ist das Hotel „Zur Eich“ in Wermelskirchen. Gegründet wurde das Haus im Jahr 1831. Der Fuhrhalter und Landwirt Peter Friedrich Jörgens erkannte die günstige Lage des Gutes an der Fernstraße nach Köln, bot bei einer öffentlichen Versteigerung 3.500 Taler – und erhielt den Zuschlag. Mittlerweile sind fast 179 Jahre vergangen und Gerd Jörgens leitet die Geschicke des Hotels „Zur Eich“ seit 1980 in der fünften Generation. Nun, mit 61 Jahren, ist die Zeit gekommen, sich langsam auf den Ruhestand vorzubereiten. Viele Gedanken über einen Nachfolger musste er sich nicht machen. Tochter Tina hatte früh bekundet, das Hotel „Zur Eich“ mit seinen 37 Zimmern und derzeit 18 Mitarbeitern übernehmen zu wollen. Nach ihrer Ausbildung zur Hotelkauffrau (Lindner Hotels, Düsseldorf), einem Abschluss als Hotelbetriebswirtin und mehrjähriger Tätigkeit im InterContinental in Düsseldorf ist die 32-Jährige nun zurück im elterlichen Betrieb. Einen genauen Zeitplan für die Übergabe gibt es noch nicht. Fest steht hingegen: „Es wird ein schleichender Prozess. Ich kann mir nicht vorstellen, eines Morgens den Schreibtisch komplett zu räumen und nicht mehr wiederzukommen“, sagt Gerd Jörgens.
Stattdessen bindet er Tochter Tina in immer mehr Entscheidungsprozesse ein. „Und sie macht vor allem die Dinge, die sie einfach viel besser kann als ich, beispielsweise
alles, was mit dem Internet zu tun hat“, sagt der 61-Jährige, dem es wichtig war, dass seine Tochter in anderen Häusern Erfahrungen sammelt, die sie nun einbringen kann.
So war es auch, als er das Haus 1980 von seinem Vater Franz Friedrich Arnold Jörgens übernahm. „Natürlich habe ich einiges anders gemacht als er“, erinnert sich
Gerd Jörgens. Und er weiß: „Meine Tochter Tina wird auch vieles anders machen.“ Kein Schreckensszenario für ihn: „Es bringt nichts, zurückzuschauen, viel wichtiger ist der
Blick in die Zukunft.“ Und so hat das Hotel „Zur Eich“ zwar eine lange Geschichte, präsentiert sich aber modern und innovativ.
Die gelungene Mischung aus Tradition und Innovation ist auch im Autotreffpunkt Gieraths in Bensberg zu finden. Im Büro von Geschäftsführer Willy Gieraths finden sich viele Fotos aus über 80 Jahren Unternehmensgeschichte. Und zu jedem Bild hat er zahlreiche Geschichten und Anekdoten parat, schließlich ist der 73-Jährige bereits seit seinem 15. Lebensjahr im Unternehmen tätig. Für die Moderne stehen nicht nur Willy Gieraths‘ Töchter Gabriele und Monika, auch die lichtdurchflutete Ausstellungshalle ist zukunftsweisend. Für den Neubau in Bensberg hat das Unternehmen über eine Million Euro investiert. „Wir haben ausschließlich ortsansässige Firmen beauftragt“, betont Willy Gieraths, dessen Laufbahn Mitte der 50er-Jahre in der Werkstatt begonnen hat. „Also nix mit Büro und Chefsessel“, sagt er schmunzelnd. Bevor er 1966 Geschäftsführer wurde, hatte er unzählige Motoren repariert, seinen Meister-Titel erworben und an der familieneigenen Tankstelle Tausende Liter Kraftstoff gezapft. Vom kleinen Geschäft mit einer Handvoll Mitarbeiter ist die Gebr. Gieraths GmbH kontinuierlich gewachsen – zu einem der 50 größten Opelhändler Deutschlands, der seit 1999 auch an der Paffrather Straße in Bergisch Gladbach vertreten ist.
Einen externen Geschäftsführer einstellen? Bei dieser Frage hielt es Willy Gieraths wie die Mehrzahl der im Rahmen einer Studie des Wittener Institutes für Familienunternehmen an der Universität Witten/Herdecke befragten Unternehmer: lieber jemanden aus der Familie. „Vertrauen“ ist für Willy Gieraths das Haupt-Argument. „Und mit Dingen, die einem selbst gehören, geht man einfach anders um.“ Ein weiterer Vorteil: „Ein Familienmitglied muss nicht aus Angst vor einer Entlassung taktieren. Der Umgang ist also offener und ehrlicher.“ So stieg 1995 zunächst Tochter Gabriele (Aufgabenbereiche Verkauf, Werbung, Betrieb Bensberg) in den Betrieb ein, seit 1996 verstärkt auch ihre Schwester Monika (Aufgabenbereiche Service, Personal, Betrieb Bergisch Gladbach) das Familien-Team. Verena, die Jüngste der Schwestern, ist hingegen nicht im Autohaus tätig, sondern ist Geschäftsführerin des Indoor-Spielparadieses „Tummel Dschungel“ in Bensberg. „Wenn zu viele mitreden, dann wird das nix“, begründet Willy Gieraths. „Aus diesem Grund haben auch unsere Männer kein Mitspracherecht“, fügen die Schwestern hinzu.
Ihren Führungsstil beschreiben die Gieraths als „familiär und wenig hierarchisch“. Willy Gieraths: „Wir übertragen viel Verantwortung an unsere Mitarbeiter, und
unsere Türen stehen immer offen.“ Wohl auch einGrund dafür, dass beinahe jedes Jahr 25-jährige Firmenjubiläen gefeiert werden. „Vor einiger Zeit hatten wir sogar ein
50-jähriges“, berichtet Tochter Monika. Im Vorfeld wichtiger Entscheidungen tagt stets der Familienrat. „Dann treffen mehrere Jahrzehnte Erfahrung auf innovative Ideen“,
sagt Monika Gieraths, „heraus kommt in aller Regel eine gute und einstimmige Entscheidung.“ Ein gutes und generationenübergreifendes Miteinander sei das A und O für ihren
Erfolg. „Wenn wir nicht harmonieren,dann ist auch keine Harmonie in der gesamten Firma“, ist sich Willy Gieraths sicher.
Dass es nicht immer einfach ist, wenn mehrere Generationen in einem Unternehmen arbeiten, hat Maryo Fietz (Fietz GmbH) am eigenen Leib erfahren. Als Vater Manfred sich 1974
in der heimischen Waschküche selbstständig machte und dort in Handarbeit Dichtungen herstellte, stellte sich auch Maryo Fietz an die Maschinen. Zunächst klappte die
Kombination aus privatem und beruflichem Miteinander. Und so packte die ganze Familie mit an, als man 1977 imGewerbegebiet Burscheid-Hilgen ein erstes Firmengebäude errichtete
und im Bereich der Kunststoffprodukt-Herstellung expandierte.
Doch dann kam der Bruch: „Das Problem war, dass die Kompetenzen nicht klar abgegrenzt waren“, analysiert Maryo Fietz. „Ich wollte mehr Verantwortung übernehmen, doch mein Vater wollte keine abgeben.“ Und so entschied sich der "Junior“, das Familienunternehmen zu verlassen. Der „Senior“ führte das Unternehmen, bis er 2003 im Alter von 67 Jahren starb. Maryo Fietz stand vor der Entscheidung: „Fortführung oder Verkauf?“ Heute erinnert er sich: „Es war keine leichte Entscheidung. Die New-Economy-Blase war gerade geplatzt, unsere Umsätze eingebrochen. Ich selbst war zu diesem Zeitpunkt beruflich eigentlich gerade auf dem Sprung nach München und habe über einen Monat lang hin und her überlegt.“ Am Ende entschied er sich für das Familienunternehmen, das er seither zusammen mit seiner Mutter Elfriede führt. Mittlerweile hat Maryo Fietz‘ Sohn Roman sein International-Business-Studium erfolgreich absolviert und steht in den Startlöchern, um ins Unternehmen einzusteigen. Doch: „Mir ist es wichtig, dass er sich erst woanders die Hörner abstößt und seinen Horizont erweitert, damit er irgendwann frische Ideen ins Unternehmen bringen kann“, sagt Maryo Fietz. Dort wird Roman Fietz allerdings auch noch einige Stationen durchlaufen, bevor er den Chefsessel besteigen kann. Maryo Fietz sieht es pragmatisch: „Ein Schiff kann nur einen Kapitän haben. Und das bin derzeit halt noch ich. Aber ich bin durchaus bereit, Verantwortung abzugeben und Aufgaben zu delegieren. Das ist der Unterschied zu meinem Vater. Und mein Sohn sieht das auch ein.“ So wird die Fietz GmbH vermutlich eine weitere Generation lang in Familienhand bleiben, was Fietz auch insofern freut, dass sein Unternehmen seit jeher „nicht auf kurzfristige Gewinn-Maximierung, sondern auf langfristigen Erfolg ausgelegt“ ist.
Torsten Groth, Geschäftsführer des Management-Zentrums Witten, hat dieses Charakteristikum analysiert. Er glaubt: „Das Eigentum für die nächste Generation zu sichern, steht im Mittelpunkt von Managemententscheidungen. Bei börsennotierten Unternehmen geht es um das riskante Spiel, den Unternehmenswert hochzutreiben." Prof. Dr. Peter May, Gründer des INTES Instituts für Familienunternehmen und Honorarprofessor an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar, sieht Familienunternehmer als Gewinnerder Wirtschaftskrise: „Die Kurzfrist-Mentalität und die alleinige Ausrichtung am Shareholder Value sind spätestens Ende 2008 an ihre Grenzen gestoßen. Das Festhalten an eindeutigen Werten in den Familienunternehmen hat sich hingegen einmal mehr bewährt.“
Eine weitere Stärke von Familienunternehmen – gerade in Krisenzeiten – sind ihre Mitarbeiter. 84 Prozent der in einer Umfrage des Beratungsunternehmens Auxilion interviewten Manager sehen eine „ausgeprägte Firmenkultur, in der die Geschäftsführung verbindliche Werte und Ideale für ein ein faires Miteinander vermittelt.“ Und so stehen auch bei der Overather Metten Stein+Design GmbH & Co. KG Werte und Normen im Mittelpunkt der Unternehmensphilosophie. Bereits 1986 wurde schriftlich fixiert, dass Offenheit, Ehrlichkeit, Verlässlichkeit und Fairness jederzeit wechselseitig eingefordert werden können. „Bei uns herrscht ein sehr offener und direkter Ton, der allerdings immer von Respekt geprägt ist“, so Dr. Michael Metten, der seit 2007 seine Eltern Hildegard und Hans-Josef Metten als Geschäftsführer unterstützt.
Entscheidungen trifft die Familie im Konsens – oft innerhalb kürzester Zeit. „Genau diese kurzen Entscheidungswege, ohne die Beteiligung diverser Gremien, sind ein klarer Wettbewerbsvorteil für Familienunternehmen“, findet Dr. Michael Metten, der sich mit „Haut und Haar“ dem Werkstoff Stein und den Produkten der Firma verbunden fühlt. Kein Wunder – schließlich war das Firmengelände für den heute 29-Jährigen einst ein großer Abenteuerspielplatz, den er als Kind erkundet hat. Etwas anderes, als in die Firma einzusteigen, kam für Dr. Metten „nie ernsthaft in Frage“. Während seine Brüder beruflich andere Wege gehen, studierte er Betriebswirtschaft, promovierte und arbeitete zunächst als Assistent der Geschäftsführung bei Metten Stein+Design. „Ich bin von den Mitarbeitern wohlwollend empfangen worden“, erinnert er sich. Probleme der Akzeptanz gab es selbst bei denen, die ihn schon in Windeln erlebt haben, nie. „Um genau diese Probleme zu verhindern, habe ich aber auch nie als Schüler im Unternehmen gejobbt, so war einfach ein wenig zeitlicher Abstand vorhanden.“ Infolge einer schweren Erkrankung seines Vaters hat Dr. Michael Metten – eher als erwartet und mitten in einer Zeit, als das Wort „Wirtschaftskrise“ in aller Munde war – , als Geschäftsführer mehr Verantwortung übernommen. Angst hatte er davor nicht, ganz im Gegenteil: „Krisen sind auch ein guter Nährboden, um sich zu besinnen und gegebenenfalls neu auszurichten.“
Neu ausgerichtet hat sich in den vergangenen Jahren auch die Kürtener Firma Orgelbau Schulte. 1978 von Siegfried Schulte im heimischen Badezimmer gegründet, hat sich dieser vor vier Jahren aus der Geschäftsführung zurückgezogen. Seither leitet sein Sohn Oliver die Geschicke des Unternehmens. Bereut hat Siegfried Schulte diesen Schritt nicht, auch wenn es ihm anfangs etwas schwergefallen ist abzuschalten: „So ist viel neuer Schwung in die Firma gekommen und mein Sohn hat die Zeichen der Zeit richtig erkannt.“ Mittlerweile werden in Kürten weniger Orgeln gebaut, sondern immer häufiger alte Orgeln aus den USA oder England, wo derzeit viele Kirchen geschlossen werden, importiert und zum Teil aufwändig restauriert. Neue Wege geht man auch beim Networking. Während Vater Siegfried noch eine umfangreiche Karteikarten-Sammlung hatte, verfügt Oliver Schulte über 1.800 Kontakte bei Facebook. „Der Orgelbau ist ein Dorf“, sagt er, „da ist das unerlässlich.“ Auch einen eigenen Internet-Blog gibt es – neben der eigentlichen Homepage. Und so ist Orgelbau Schulte auch das beste Beispiel für einen gelungenen Generationenwechsel, was durchaus nicht die Regel ist.
Während laut Umfragen des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) etwa 80 Prozent der Unternehmer eines ihrer Kinder gerne als Nachfolger hätten, schafft in der
Realität nicht einmal die Hälfte der Familienunternehmen tatsächlich den Sprung in die nächste Generation.
Familienforscher Tom Rüsen hat beobachtet, dass die potenziellen Nachfolger immer seltener Interesse an einem Einstieg in den Familienbetrieb haben. Über die Gründe äußert
er sich im „Handelsblatt“: „Meist haben die Söhne und Töchter eben auch die Schattenseiten des Unternehmertums erlebt: lange Arbeitszeiten, die extrem hohe Verantwortung, das
Existenz-Risiko.“ Eine Hochrechnung des Instituts für Mittelstandsforschung auf Basis von Umsatzsteuerdaten liefert genauere Zahlen: In 44 Prozent aller Fälle wird das
Unternehmen an Familienmitglieder übergeben, in 21 Prozent aller Fälle ist die Nachfolgelösung ein Verkauf, in 17 Prozent werden externe Manager eingestellt. Zehn Prozent
aller Eigentümer haben ihre Firma an Mitarbeiter übergeben, in acht Prozent aller Fälle fand sich keine Regelung, sodass es zum „Aus“ kam.
Bereits geregelt ist die Nachfolge bei der 1924 gegründeten Georg Musculus GmbH & Co. KG in Bergisch Gladbach. „Ich scharre nicht mit den Hufen, scheue die
Verantwortung aber auch nicht“, sagt Sandra Musculus-Heymann (30), die nach der Ausbildung in einer Werbeagentur 2001 in die Markisen- und Sonnenschutz-Firma, die von ihrem
Vater und ihrem Onkel geführt wird, gekommen ist – „früher als gedacht“, sagt sie. „Nach Umstrukturierungen wurde eine Stelle im Bereich Buchhaltung und Verwaltung frei, da
habe ich zugeschlagen.“ Seit 2003 ist auch Sandras Bruder Christopher (26) „an Bord“ – zusammen wollen die Geschwister die Firma führen, wenn die Brüder Klaus und Georg in ein paar
Jahren kürzertreten möchten. „Ich habe keinen gedrängt, aber sowohl für mich als auch für die Mitarbeiter ist es ein beruhigendes Gefühl, dass die Nachfolge geregelt
ist“, freut sich Georg Musculus.
Die Einstellung eines externen Geschäftsführers würde für ihn nicht in Frage kommen. „Da wäre mir die Gefahr viel zu groß, dass er sich nach kurzer Zeit wieder
verabschiedet, wenn er ein lukrativeres Angebot bekommt. Das wäre für unser Geschäft, das von langjährigen und persönlichen Beziehungen zu Lieferanten und Kunden lebt,
tödlich. Wenn meine Kinder nicht gewollt hätten, hätten wir den Laden irgendwann dichtgemacht.“ So offen gehen Klaus und Georg Musculus auch mit ihren knapp
70 Mitarbeitern um – und sind damit, laut Sandra Musculus-Heymann, „ein absolutes Vorbild für Christopher und mich“. Klassisches Controlling gibt es bei der Georg
Musculus GmbH ebenso wenig wie „Business-Pläne, denen man ständig hinterherläuft“ oder monatliche personalisierte Verkäufer-Auswertungen. Die Außendienstler sind fest
angestellt und arbeiten nicht auf Provisionsbasis. „All das trägt zur Zufriedenheit bei“, ist sich Christopher Musculus sicher. „So steht der Unternehmens-Erfolg im
Mittelpunkt und nicht der Erfolg eines Einzelnen.“
Insgesamt zählt bei der Georg Musculus GmbH das große Ganze immer mehr als das Einzelne. „Und so ist auch jeder bereit, Aufgaben liegen zu lassen, um dringendere Aufgaben zu
übernehmen“, sagt Christopher Musculus. So ist es für den Geschäftsführer in spe beispielsweise keine Frage, selbst Tücher zu verpacken, um andere Mitarbeiter zu entlasten."
Ein ähnliches Prinzip gilt auf dem Ferienhof Biesenbach in Kürten: „Jeder macht das, was er am besten kann – aber jeder muss im Notfall alles können.“ Sein erstes Pferd hatte sich Hans Biesenbach von seinem Konfirmations-Geld gekauft. Zwar lernte er Konditor, doch seine Leidenschaft galt immer den Pferden – insbesondere den Kaltblütern. So entschied er sich, nicht die elterliche Konditorei zu übernehmen, sondern arbeitete unter anderem als Hufschmied. Mit seiner Frau Gundi, gelernte Einzelhandelskauffrau, erfüllte sich Biesenbach 1988 seinen großen Traum und kaufte unweit der Dhünntalsperre in Kürten seinen eigenen Hof. „Damals haben wir ganz klein mit ein paar Einstallern angefangen“, erinnert sich Biesenbach. Die älteste Tochter Evelyn war damals gerade elf Jahre alt. Heute ist sie 33, hat selbst zwei Kinder – und arbeitet im Angestelltenverhältnis auf dem Hof ihrer Eltern, der sich im Laufe der Jahre zu einem erfolgreichen Familienunternehmen entwickelt hat, das breit aufgestellt ist. Die Biesenbachs bieten Reitunterricht und Fahrtraining an, auf dem Hof können bis zu 20 Kinder im Alter von neun bis 16 Jahren Reiterferien machen, es gibt 17 Kutschen, die für Hochzeiten und andere festliche Anlässe genutzt werden können, im ehemaligen Kuhstall können bis zu 70 Personen feiern und, und, und.
„Es ist wichtig, dass man möglichst breit aufgestellt ist“, findet Hans Biesenbach, dessen letzter Urlaub, der nichts mit Pferden zu tun hatte, „bestimmt schon 15 Jahre her“
ist. „Klar gibt es auch mal Stress“, antwortet er ganz ehrlich auf die Frage, ob das Miteinander von drei Generationen unter einem Dach immer gut funktioniert. „Aber
recht selten“, fügt er hinzu und führt das darauf zurück, dass jeder sein Aufgabengebiet hat: Ehefrau Gundi ist für das leibliche Wohl der Gäste zuständig, Hans Biesenbach für
alles, was mit den Kutschen zu tun hat. Tochter Evelyn gibt Reitunterricht – auch für behinderte Kinder. Die Söhne Michael und Andreas arbeiten nicht hauptberuflich auf
dem Hof, kümmern sich aber bei Bedarf um alles Handwerkliche. Und auch Evelyn BiesenbachsZwillinge Lynn und Luca (5) helfen schon mit. „Unsere Stärke ist, dass sich jeder auf jeden
100-prozentig verlassen kann und der eine kann nicht ohne den anderen“, findet Evelyn Biesenbach, die nach ihrer Ausbildung zur Erzieherin drei Job-Angebote hatte, sich aber
entschied, auf dem Hof ihrer Eltern zu arbeiten. Und so muss sich Hans Biesenbach um die Zukunft des Hofes keine Sorgen machen: „Die Kinder schlagen sich ja förmlich
drum“, sagt er schmunzelnd.
Dass Familienunternehmen aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis wahre „Champions“ sind, beweist nicht nur die Krüger GmbH & Co. KG, deren Produkt „Cappuccino Pur“ jüngst von
10.800 repräsentativ befragten Verbrauchern zum „Produkt des Jahres 2010“ gewählt wurde. Die vorgestellten Familienunternehmen haben viele Gemeinsamkeiten. Doch es gibt auch
Unterschiede.Und so erheben die aufgestellten Thesen nicht den Anspruch auf Vollständigkeit oder Allgemeingültigkeit. Wenn Sie noch tiefer in das Thema eintauchen möchten,
empfehlen wir Ihnen unser Wirtschaftsforum am 25. November.
Philipp Nieländer
Oben links: Gerd Jörgens und seine Tochter Tina arbeiten Hand in Hand im "Hotel zur Eich" in Wermelskirchen.
Oben rechts: Drei Generationen der Biesenbachs um Oberhaupt Hans halten auf dem Pferdehof die Zügel in der Hand.
Unten links: Willy Gieraths arbeitet seit seinem 15. Lebensjahr im Familienbetrieb. Mit seinen Töchtern Gabi (2. v. l.) und Monika (l.) ist auch
für die Nachfolge bereits gesorgt. Tochter Verena (2. v. r.) arbeitet hingegen nicht im elterlichen Autohaus.
Unten rechts: Mit Sandra und Christopher stehen die Musculus-Nachfolger bereit.
Alle Fotos: Philipp Nieländer