Nachfolge? Geregelt!

Titelthema punkt.RBW 04/2015

Nach wie vor existiert erstaunlicherweise keine amtliche Statistik, die verlässliche Auskunft über das Nachfolgegeschehen gibt. Allerdings ermittelt das IfM Bonn seit Mitte der 1990er-Jahre die Anzahl der Unternehmensnachfolgen mittels eines Schätzverfahrens. Die Zahlen zeigen: Allein im Zeitraum 2014 bis 2018 stehen gemäß der IfM-Schätzung deutschlandweit 135.000 Unternehmensübergaben an, davon fast 30.000 in NRW. Betroffen sind deutschlandweit etwa zwei Millionen Beschäftigte, knapp ein Viertel davon an Rhein und Ruhr. Auch in zahlreichen Unternehmen im Rheinisch-Bergischen Kreis steht in den kommenden Jahren ein Generationswechsel bevor, weiß Peter Jacobsen von der RBW. Seiner Einschätzung nach wird dieses wichtige Thema im Tagesgeschäft jedoch häufig vernachlässigt – oder verdrängt. Die Folge: Am Tag X gibt es keinen Nachfolger – oft nicht einmal einen Interessenten. „Die stille Liquidation ist leider zu häufig das Ende dieser Entwicklung“, sagt Jacobsen. „Dadurch verlieren nicht nur die Unternehmer eine angemessene Ablösesumme, sondern auch die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz – obwohl das Unternehmen womöglich eine aussichtsreiche Zukunft gehabt hätte.“

Dass das Thema Übergabe häufig viel zu lange vor sich hergeschoben wird, kennt Maryo Fietz, heute geschäftsführender Gesellschafter der Burscheider Fietz Gruppe, aus eigener Erfahrung: 2001 starb sein Vater Manfred, der die Fietz KG 1974 in der heimischen Garage gegründet und zu einem Unternehmen mit 90 Mitarbeitern aufgebaut hatte, recht plötzlich. „Zu dem Zeitpunkt war eigentlich nichts vorbereitet“, so der Burscheider Unternehmer. „Also das perfekte Beispiel, wie man es nicht machen sollte.“ Wenn man Maryo Fietz, der mit diesem Thema sehr offen umgeht, zuhört, versteht man, warum Übergaben innerhalb einer Familie häufig nicht reibungslos verlaufen – denn seine Geschichte ist sicher kein Einzelfall. „Ich stand schon als Schüler nachmittags an der Drehbank, um mein Taschengeld aufzubessern. Ich war also früh Teil des kleinen Familienunternehmens – und habe mich zu 100 Prozent damit identifiziert.“ Während des Studiums sammelte Maryo Fietz erste Erfahrungen als Unternehmer – zusammen mit zwei Kommilitonen schrieb er Programme für die ersten Macintosh-Rechner. „Das passte meinem Vater alles nicht wirklich. Er wies mich dann immer wieder darauf hin, dass ich ihm mein Wort gegeben hätte, das Familienunternehmen zu übernehmen. Ich war hin- und hergerissen. Als meine damalige Freundin und heutige Frau schwanger wurde, habe ich mich für den sicheren Weg entschieden und bin nach Burscheid zurückgegangen.“

 

Maryo Fietz wurde Teil der Geschäftsführung. „Aber ich war immer der kleine Geschäftsführer. Mein Vater hat schlecht Verantwortung abgeben können und war auch wenig empfänglich für Ideen, die ich hatte.“ Es kam zum Streit. „Ich habe die Brocken hingeworfen und bin gegangen“, sagt Fietz. „Ich war fest davon überzeugt, dass es nicht lange dauert, bis mich mein Vater anrufen und bitten würde, zurückzukommen. Er rief aber nicht an …“ Fietz arbeitete stattdessen erfolgreich für eine Unternehmensberatung, machte sich einen guten Ruf im Bereich Firmensanierungen. Er hatte gerade die Zusage für einen lukrativen Job in einer Unternehmensberatung am Starnberger See erhalten, als sein Vater starb. „Neben der Trauer mussten meine Mutter und ich überlegen, wie es mit dem Unternehmen weitergehen sollte. Ich habe mir die Entscheidung damals nicht leicht gemacht, zumal die New Economy und damit der bis dahin lukrative Unternehmensbereich Elektroisolatoren gerade zusammenbrach. Aber es wäre einfach schade gewesen, das Unternehmen in fremde Hände zu geben.“ Eine gute Entscheidung, wie man heute weiß … Dass es häufiger zu Konflikten zwischen den Generationen kommt, weiß Peter Jacobsen von der RBW aus vielen Beratungen. „Dem einen fällt es schwer, loszulassen und Verantwortung abzugeben, der andere möchte Dinge verändern.“ Manchmal sei ein harter Übergang mit einer kurzen Überschneidungsdauer sinnvoll. Soll es einen weichen Übergang geben, ist es laut Jacobsen häufig hilfreich, die Aufgabengebiete und Kompetenzen zu trennen. So oder so könne es sinnvoll sein, einen externen Berater hinzuzuziehen.

 

Experten können helfen

 

 

Für diesen Weg hat man sich auch bei der familieninternen Übergabe bei der Wermelskirchener Hausmann Versorgungstechnik GmbH & Co. KG entschieden. „Eine absolut richtige Entscheidung“, sagt der 37-jährige Geschäftsführer Rico Hausmann rückblickend. „Der Berater war nicht emotional involviert und hat sich die Gesamtsituation sowie einzelne Abläufe und Prozesse ganz objektiv angeschaut.“ Zudem seien viele rechtliche Details zu beachten, „die nur Experten kennen“, sagt er. Gemeinsam habe man verschiedene Szenarien aufgestellt und am Ende schriftlich fixiert. „Das gesprochene Wort kommt schnell falsch an und lässt häufig Interpretationsspielräume“, sagt Rico Hausmann, der der älteste von drei Brüdern ist. Für den mittleren Bruder – Ronnie – war früh klar, dass er sich beruflich anders orientieren will: Der Elektromeister führt erfolgreich ein Unternehmen, das auf den Steuerungsbau für Industriesondermaschinen spezialisiert ist. Der jüngste der Brüder – Keke – sitzt nach einem Motorradunfall im Rollstuhl und leitet seit dem Jahr 2011 den Bereich Heizungskundendienst und Heiztechnik.

 

Vater Jürgen  Hausmann (Geschäftsführer von 1985 bis 2013) ist nach wie vor in der Firma tätig – allerdings nicht mehr als Chef, sondern als auf Heizungen spezialisierter Kundendienstmonteur. „Das klingt etwas ungewöhnlich“, sagt Rico Hausmann lächelnd. „Klappt aber sehr gut – meistens jedenfalls. Das Führen von Mitarbeitern hat mein Vater nie gemocht – und die zahlreichen Aufgaben eines Geschäftsführers waren immer ein lästiges Übel – sein Leben war und ist die handwerkliche Arbeit“, sagt Rico über Jürgen Hausmann. Es sei die Entscheidung seines Vaters gewesen, die Verantwortung abzugeben. „Und er fühlt sich durchaus wohl in seiner Rolle: Er ist unser Joker im Heizungskundendienst und hat da viele Freiheiten. Ab und zu fällt er in alte Muster zurück und trifft Entscheidungen, ohne diese mit mir abzustimmen. Es kommt auch vor, dass Mitarbeiter zu ihm gehen, wenn sie bei mir mit etwas nicht durchkommen. Aber das hält sich alles im Rahmen. Umgekehrt kann ich auch immer zu ihm gehen und mir Rat holen. Am Ende treffe ich aber die Entscheidungen“, sagt Rico Hausmann, der ein Freund klarer Hierarchien ist – und in seiner Art „in vielen Dingen doch ganz anders“ als sein Vater ist.


„Für die Mitarbeiter eines Unternehmens kann es komisch sein, wenn plötzlich ein ganz anderer Führungsstil herrscht“, sagt Peter Jacobsen. Hier sei es wichtig, Gespräche zu führen und die Angestellten auf dem neuen Weg mitzunehmen. „Es hilft, wenn man erklärt, warum plötzlich etwas anders gemacht wird.“ Aus seinen Gesprächen mit Unternehmern weiß -Jacobsen: Manch einer ist unsicher, wie er als neuer Chef auftreten soll – erst einmal alles beim Alten belassen oder den Laden umkrempeln? „Oft ist der Mittelweg für den Anfang eine gute Lösung“, sagt Jacobsen. „Im Laufe der Zeit kann man dann seinen Stil und seinen Weg finden.“

 

„Ich kann gar nicht wie mein Vater sein“

 

Den Spruch mit den Fußstapfen, in die man tritt, hat wohl jeder Nachfolger schon einmal gehört. Je präsenter der Vorgänger war, umso häufiger. „Ich kann es nicht zählen, wie oft meine Schwester und ich das zu hören bekommen haben“, sagt David Roth, Geschäftsführer des Bergisch Gladbacher Bestattungshauses Pütz-Roth. „Ich kann aber gar nicht wie mein Vater sein – und ich muss es auch nicht“, sagt der 37-Jährige. Das sei eine befreiende Erkenntnis. „Ich bin als Person zurückhaltender und rationaler als er.“ Während Fritz Roth vieles aus dem Bauch heraus entschied, „gehen meine Schwester und ich Themen überlegter an“.

 

„Ich bin im Betrieb aufgewachsen“, sagt David Roth. „Der Tod war für mich also schon sehr früh etwas Natürliches. Und so war es für David Roth und Hanna Thiele-Roth auch ganz normal, in den Ferien im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten. „Wir konnten so in die verschiedenen Bereiche reinschnuppern und uns mit Abläufen vertraut machen“, sagt Hanna Thiele-Roth. „Mein Vater war im Unternehmen der Außenminister, meine Mutter die Innenministerin“, so David Roth, der nach seinem dualen Studium zum Diplom–Betriebswirt und verschiedenen Praktika seit 2005 im Unternehmen tätig ist. Während Inge Roth Wert darauf legte, ihren Kindern intensive Einblicke in ihre Arbeit (Organisation, Buchhaltung) zu geben, „hat unser Vater uns weniger eingebunden“, sagt der 37-Jährige. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir häufiger miteinander gesprochen hätten …“ Pläne für die Unternehmensnachfolge gab es im Hause Pütz-Roth jedoch schon, bevor im März 2012 Fritz Roths Krebserkrankung diagnostiziert wurde. „Wir sind eines Tages sehr plötzlich zu einem Notartermin dazugebeten worden“, erinnert sich die studierte Eventmanagerin Hanna Thiele-Roth. „Es war alles mehr oder weniger nach den Vorstellungen unseres Vaters ausgearbeitet – ohne dass es mit uns besprochen war.“ David Roth: „Wir waren mit einigen Punkten nicht glücklich und so ist es an diesem Tag zu keiner Einigung gekommen.“ Fritz Roth reagierte – und zwar am Ende positiv. „Er hat gemerkt, dass er mit uns reden muss – und er hat das plötzlich sehr offen getan und uns nicht mehr als seine Kinder, sondern als erwachsene Partner wahrgenommen.“ Das Unternehmen wurde in eine oHG umgewandelt, „wie es unser Wunsch war“, sagt David Roth, der mittlerweile selbst Unternehmen in der Frage berät, wie man mit dem Tod von Mitarbeitern umgehen sollte. „Wir haben uns nach dem Tod von meinem Vater die Zeit genommen, traurig zu sein“, sagt David Roth. Und wie ist das Unternehmen heute – knapp drei Jahre später – aufgestellt? „Wir sind weiter gewachsen“, sagt David Roth. „Wir haben bessere Strukturen geschaffen und die verschiedenen Aufgaben auf mehr Schultern verteilt. Uns ist es wichtig, die Mitarbeiter in den Prozessen mitzunehmen. Familienintern tauschen wir uns intensiv aus, um gemeinsam gute Lösungen zu finden.“

 

Aus Fehlern lernen …

 

Wer die modernen Verkaufsräume von Mobau Selbach oder den benachbarten OBI-Baumarkt in Rösrath betritt, kommt vermutlich nicht darauf, dass das Unternehmen bereits 115 Jahre alt ist. Ein Gemälde, das an die Anfänge erinnert, zeigt Firmengründer Wilhelm Selbach mit einer dicken Zigarre – etwas kritisch dreinblickend. Der gelernte Bäcker handelte mit Lebensmitteln, hatte eine Gastwirtschaft und einen landwirtschaftlichen Betrieb. Mit 60 dachte er noch nicht an den Ruhestand, sondern erwarb eine Kiesgrube und ein Fuhrwerk und gründete einen Baustoffhandel. Dieser ist bis heute in Familienhand. Seit 2002 ist Ururenkelin Annette Faust Geschäftsführerin. Während der Übergang von ihrem Vater Volkmar Mönch auf sie sehr harmonisch verlief, wie sie sagt, gab es beim Generationenwechsel davor deutlich mehr Probleme. „Meine Oma Maria Mönch – eine geborene Selbach – musste, nachdem ihr Mann im Zweiten Weltkrieg an der Front geblieben war, das Unternehmen alleine führen. Mein Vater absolvierte zunächst eine Banklehre – wechselte dann aber ins Familienunternehmen“, weiß Annette Faust (46) aus Erzählungen. „Es gab massive Generationenkonflikte – und meine Großmutter wollte jeden einzelnen Lieferschein kontrollieren. Erst als mein Vater drohte zu gehen, hat ein Umdenken begonnen. Aber meine Oma hatte, bis sie 82 war, ein eigenes Büro, auf dem Schreibtisch eine Rechenmaschine …“ Für Annette Faust – geborene Mönch – stand als Teenager fest: „Zementsäcke verkaufe ich auf keinen Fall!“ Und so entschied sie sich für ein duales Studium – damals noch etwas ganz Neues – mit Schwerpunkt BWL. Danach – kurz nach der Wiedervereinigung – richtete sie für Globus neue Märkte in den neuen Bundesländern ein und wurde schließlich stellvertretende Marktleiterin in Leipzig. „Und plötzlich habe ich auch Zementsäcke verkauft“, sagt sie lachend. Ihr sei zu dieser Zeit bewusst geworden, dass es eigentlich egal ist, was man verkauft – die Herausforderung sei es, das Sortiment im Blick zu haben und Menschen zu führen. „Eines Tages, als ich überhaupt nicht daran dachte, wieder zurück ins Rheinland zu gehen, rief mich mein Vater an“, erinnert sie sich noch gut. Volkmar Mönch hatte gerade einen Marktleiter entlassen müssen und sagte am Telefon: „Es wäre gut, wenn du nach Hause kommst.“ Annette Faust weiß noch genau, was sie damals antwortete: „Jetzt ist es gerade schlecht!“ Ihr Vater entgegnete: „Jetzt oder nie!“ Das wirkte: 1994 stieg die Diplom-Betriebswirtin ins Unternehmen ein und wurde Marktleiterin in Köln-Dellbrück.

 

Es folgten spannende Jahre: Der Markt in Köln wurde erweitert, in Rösrath wurde komplett neu gebaut. „Mein Vater und ich haben viel geredet und die meisten Entscheidungen gemeinsam getroffen.“ So sei sie Schritt für Schritt in die Rolle der Geschäftsführerin hineingeführt worden.  Ihr Vater habe sich hingegen schrittweise zurückgezogen. „Er hat aber nach wie vor bestimmte Aufgaben – seine Lieblingsthemen“, sagt Annette Faust, die großen Wert darauf legt, strategische Entscheidungen weiterhin mit ihrem Vater gemeinsam zu treffen. „Er ist ein versierter Unternehmer und ich habe vollstes Vertrauen zu ihm. Da wäre ich doch dumm, wenn ich auf seinen Rat verzichten würde“, sagt Annette Faust, die selbst zwei Kinder hat. „Die sind aber noch zu jung, um schon ernsthafte Berufspläne zu haben. Meine Tochter will aktuell Prinzessin oder Chefin werden, mein Sohn Chemiker.“ Annette Faust: „Sie sollen völlig frei entscheiden, welchen beruflichen Weg sie einschlagen wollen. Wenn sie das Unternehmen nicht übernehmen wollen, wird sich eine andere Lösung finden. Denn: Das Wichtigste ist, dass man Freude an seinem Beruf hat.“ Dieser These pflichtet Peter Jacobsen von der RBW bei: „Eine Übergabe innerhalb der Familie hat langfristig nur dann Erfolg, wenn der auserkorene Nachfolger bzw. die Nachfolgerin in spe auch Interesse an einer Übernahme hat. Wenn er oder sie etwas anderes machen möchte, sollte man das akzeptieren und eine andere Lösung suchen. Beispielsweise die Übergabe an einen Mitarbeiter …“

 

17 Prozent der Unternehmen werden an Mitarbeiter übertragen

 

Dass er einmal Inhaber und Geschäftsführer einer Firma mit mehr als 40 Mitarbeitern sein würde, hätte sich Christoph Brzezina nicht vorstellen können, als er 1993 als Kundendienstmonteur von dem damaligen Eigentümer Dieter Spanier bei der Bergisch Gladbacher Firma D. Spanier GmbH eingestellt wurde. „Ehrgeizig war ich immer schon“, sagt Brzezina. Als Spanier sich 2010 aus Altersgründen zurückziehen wollte und einen Nachfolger suchte, musste er nicht lange überlegen: „Ich wollte etwas Neues machen. Und die Herausforderung hat mich auch gereizt.“ Auf der anderen Seite sei es schon ein komisches Gefühl gewesen, plötzlich die Verantwortung zu haben – dafür, dass alle Mitarbeiter pünktlich ihr Geld bekommen, dafür, dass die Zahlen stimmen, dafür, dass das Unternehmen durch strategisch richtige Entscheidungen fit für die Zukunft ist. „Das war schon ein Druck“, erinnert sich Brzezina, dessen Familie ebenfalls im Unternehmen tätig ist.

29 Prozent der Übertragungen erfolgen an externe Führungskräfte, andere  Unternehmen oder andere Interessenten von außerhalb. Besonders schwierig kann es werden, wenn sich weder innerhalb der Familie noch unter den Mitarbeitern ein Nachfolger finden lässt. Schließlich kann man das eigene Unternehmen schlecht offen zum Verkauf anbieten. „Kunden und Geschäftspartner, die merken, dass die Zukunft eines Unternehmens unklar ist, reagieren oft sehr sensibel“, sagt Peter Jacobsen. Auf der anderen Seite ist es wohl auch nicht der ideale Weg, ein Unternehmen in einer Chiffre-Kleinanzeige in einem regionalen Anzeigenblatt anzubieten.

 

Also – wie finden Verkäufer und potenzielle Interessenten zusammen? Bereits seit dem Jahr 2006 existiert die Internetplattform „nexxt-change“. Ziel der Unternehmensnachfolgebörse nexxt-change ist es, nachfolgeinteressierte Unternehmer und Existenzgründer zusammenzubringen. Unternehmer sowie Existenzgründer können dazu in den Inseraten der Börse recherchieren oder selbst Inserate einstellen. Betreut werden sie dabei von den nexxt-change-Regionalpartnern, die die Veröffentlichung von Inseraten und die Kontaktvermittlung zwischen den Nutzern übernehmen. Die RBW ist einer dieser nexxt-change-Regionalpartner und unterstützt bei Bedarf auch bei der Erstellung eines Inserates.

„Durch unsere tägliche Arbeit sind wir zudem im engen Kontakt mit unterschiedlichsten Unternehmen“, sagt Peter Jacobsen. „Wir wissen somit häufig aus persönlichen Gesprächen, wenn eine Nachfolge ansteht und können Kontakte herstellen.“

 

Manchmal entstehen die passenden Kontakte auch über Umwege. Maryo Fietz war 2011 bereits seit zwei Jahren auf der Suche nach einem geeigneten Unternehmen im Bereich Spritzguss-Technik. Eine Übernahme in der Eifel stand kurz vor dem Abschluss, als der dortige Hauptkunde seinen Ausstieg in Aussicht stellte. Fietz nahm von dem Kauf daher wieder Abstand und wurde stattdessen von einer beteiligten Bank auf ERÜ Kunststofftechnik in Radevormwald aufmerksam gemacht. Dort war Geschäftsführer Reinhard Hübner (damals 57) schon länger auf der Suche nach einer Nachfolgeregelung. Ende April 2011 entstand der Kontakt, im Herbst des gleichen Jahres wurde unterschrieben. „Eine gute Entscheidung“, sagt Fietz heute. „Für beide Seiten.“ Neben Geschäftsführer Hübner ist auch Maryo Fietz‘ Sohn Roman – ausgestattet mit Prokura – in dem Unternehmen, das mittlerweile Fietz Thermoplast heißt, tätig. „Ich habe mir damals geschworen, dass ich meinen Sohn nicht unvorbereitet ins kalte Wasser werfe, sondern Schritt für Schritt in die Geschäftsführungsebene einbinde“, freut sich der Senior darüber, dass sein Sohn „aus völlig freien Stücken“ diesen Weg eingeschlagen hat. Roman Fietz (29) war auf einer Highschool in den USA, spricht perfekt Englisch und hat International Business studiert. „Ich selbst spiele mit dem Gedanken, 2020 deutlich kürzerzutreten“, sagt der „Senior“. Bis dahin ist er es jedoch, der die Entscheidungen trifft. „Ein Schiff mit zwei Steuerrädern gibt es nicht“, sagt er. „Aber wenn jemand – auch mein Sohn – mit guten Argumenten kommt, lasse ich natürlich mit mir reden. Ich bin ja nicht der weltbeste Unternehmer, der alles weiß und immer alles richtig macht.“

Diese unterschiedlichen beispielhaften Geschichten zeigen: Jede Übergabe läuft anders. Selbst bei einer noch so gewissenhaften Vorbereitung lassen sich nicht alle Details planen und berücksichtigen. „Dafür ist die Thematik einfach zu komplex und vielschichtig“, sagt David Roth. Welche Punkte unbedingt beachtet werden sollten oder gar müssen, ist von Unternehmen zu Unternehmen unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren (Rechtsform, Art der Übergabe etc.) ab. Grundsätzlich lässt sich sagen: Je früher man mit der Planung einer Übergabe beginnt, desto besser. „Desto mehr Zeit bleibt, um die optimale Lösung – und nicht eine Notlösung – zu finden“, sagt Maryo Fietz. Da viele Punkte aus verschiedenen Bereichen zu beachten sind, empfiehlt es sich, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen (beispielsweise bei der RBW). Eine Hilfe können ebenfalls die Checklisten sein, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie auf der Internetseite www.bmwi-unternehmens-portal.de zum Download zur Verfügung stellt.