Herr Prof. Thömmes, sind Familienunternehmen erfolgreicher als nicht familiengeführte Unternehmen?
Prof. Thömmes: Empirische Beweise, die diese Aussage belegen, stehen noch aus. Darum kann man das so pauschal nicht stehen lassen, auch wenn es einige Hinweise in die Richtung
gibt.
Dann anders gefragt – unter welchen Bedingungen sind Familienunternehmen besonders erfolgreich?
Prof. Thömmes: Familienunternehmen sind dann besonders erfolgreich, wenn sie eine klare Strategie verfolgen und über ein robustes Geschäftsmodell verfügen. Beides wird jedoch
oft verwechselt. Eine intensive Analyse der eigenen Stärken und Schwächen trägt ebenfalls wesentlich zum Erfolg bei. Wichtig ist auch eine klare Führungsstruktur.
In Familienunternehmen ist diese oft auf eine Person ausgelegt und über Jahrzehnte gewachsen. Zu Problemen kommt es dann immer wieder bei Generationen-Übergängen, weil diese
langjährige gewachsene Struktur dann aus den Fugen gerät.
Prof. Dr. Jürgen Thömmes, Jahrgang 1962, ist nach Tätigkeiten als Projektleiter und Unternehmensberater sowie als Lehrbeauftragter an der Cologne Business School
seit 2009 Dozent an der Fachhochschule für Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehört die Mittelstandsforschung.
Wodurch zeichnen sich erfolgreiche Familienunternehmen aus?
Prof. Thömmes: Unter anderem dadurch, dass sie sehr innovativ sind.
Schließlich ist es auch ein großer Vorteil, dass durch kurze Entscheidungswege schnelle Entscheidungen getroffen werden können. Die meisten Familienunternehmer sind mutige
Menschen, die sich nicht so intensiv absichern – oder absichern müssen —, wie angestellte Spitzenleute. Wenn sie eine Chance sehen und daran glauben, setzen sie
Entscheidungen oft innerhalb kürzester Zeit durch. In Konzernen müssen Entscheidungen häufig durch so viele Gremien, dass die Chance vorbei ist, bis die Entscheidung fällt.
Familienunternehmer gelten gemeinhin aber auch als konservativ und als langfristig denkend. Ist das kein Widerspruch?
Prof. Thömmes: Nein, das ist kein Widerspruch. Bei allem Handeln ist die oberste Zielsetzung, das Unternehmen nicht existenziell zu gefährden. Das Horrorszenario für
Familienunternehmer ist der Verlust der Selbstständigkeit.
Früher war es fast schon ein vorgegebener Weg, dass die Kinder ins elterliche Unternehmen eingestiegen sind. Wie sieht es heute aus?
Prof. Thömmes: Der Wertewandel geht an keinem Unternehmen und keinem Individuum spurlos vorbei. Und dazu gehört auch die Selbstverwirklichung und das Recht auf einen eigenen
Lebensentwurf. Damit wird der Automatismus, dass ein Kind den elterlichen Betrieb irgendwann übernimmt, durchbrochen.
Also ist eine neue Herausforderung für Familienunternehmer, einen geeigneten Nachfolger zu finden?
Prof. Thömmes: Es ist eine neue Herausforderung, aber die Erfahrung zeigt auch, dass erzwungene Übernahmen in aller Regel scheitern. Gleiches passiert häufig, wenn der
Übergabeprozess nicht sauber durchgeführt wird. Es ist ratsam, dass dieser Prozess durch eine externe Person moderiert wird, da Eltern, die ihr Lebenswerk in Händen halten,
auf Kinder treffen, auf denen oft ein riesiger Druck lastet. Versucht man es intern, werden schwierige, aber wichtige Fragen oft ausgeklammert und bleiben
unbeantwortet. Hier kann zum Beispiel die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderung wichtige Hilfe leisten.
Es ist ein Trend zu beobachten, dass Unternehmen in den vergangenen Jahren im Marketing und in der Außendarstellung aktiver als früher zeigen, dass sie familiär geführt
werden. Wie erklären Sie sich das?
Prof. Thömmes: Die Unternehmerschaft hat erkannt, dass dieses Thema Zugkraft hat und sich so sogar auf höchster Ebene Wirtschaftspolitik machen lässt. Ein extremes Beispiel
hierfür ist Ernst Prost, der es über die Schiene Familienunternehmen immer wieder schafft, seine Firma „Liqui Moly“, die unter anderem Motorenöle und Autopflege-Produkte
herstellt, in die Medien zu bringen und somit präsent in den Köpfen der Konsumenten zu machen. Aus meiner Sicht ist dies der richtige Weg, auch wenn man darüber diskutieren
kann, wie intensiv man auf diese Karte setzen sollte. Ich würde aber jedem Familienunternehmer raten, mit maßvollem Stolz und selbstbewusst an die Öffentlichkeit zu gehen.
Anonymität ist unter heutigen Marktverhältnissen kein Vorteil.
Das Interview führte Philipp Nieländer