Noch vor gut einem Jahr gab es kaum einen Wirtschafts-Artikel, in dem das Wort Krise nicht vorkam. Ende 2008 hatte die Gesellschaft für Sprachforschung die „Finanzkrise“ gar zum „Wort des Jahres“ gekürt, weil der Ausdruck „seit Anfang des Jahres in der öffentlichen Diskussion präsent“ war. Doch mittlerweile schauen viele Unternehmer im Rheinisch-Bergischen Kreis wieder positiv in die Zukunft. Und so berichten sieben beispielhaft ausgewählte Geschäftsführer im Gespräch mit der punkt.RBW-Redaktion nicht nur, wie sie ihr Unternehmen durch zwei schwierige Jahre gesteuert haben, sondern auch, wie sie mit dem einsetzenden Aufschwung umgegangen sind und welche Pläne sie für 2011 haben.
Die Nachrichten aus den Unternehmen stimmen durchaus optimistisch: Bei der Tente Rollen GmbH sind in diesem Jahr Rekord-Investitionen von 6,7 Millionen Euro geplant, bei der Kronenberg Profil GmbH werden künftig komplette Fensterführungen für zwei Opel-Modelle gefertigt und bei der Federal-Mogul Burscheid GmbH laufen die Anlagen wieder auf Hochtouren. Bei der Overather Aslan, Schwarz GmbH & Co. KG wurde 2010 neben Büros auch ein neues Rohwarenlager gebaut und bei der Putzier Oberflächentechnik GmbH wird neuerdings ein neues Beschichtungsverfahren eingesetzt, das weltweit nur wenige Unternehmen beherrschen. Harald Goldbach (Goldbach GmbH), der mit kalkulierter Flucht nach vorne auf die Krise reagiert und neue Geschäftsfelder erschlossen hat, bringt auf den Punkt, wie viele Unternehmer im Rheinisch-Bergischen Kreis gedacht und gehandelt haben: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt ...“
Gewagt und gewonnen hat die Geschäftsführung der Leichlinger Kronenberg Profil GmbH. Dort wurde trotz eines gemittelten Umsatzeinbruchs von 40 Prozent im Jahr 2009 – unter Anwendung eines extrem flexiblen Modells der Kurzarbeit (wöchentliche Überprüfung des Personalbedarfs einzelner Aggregate) – auf Personalabbau verzichtet. „Eigentlich war sogar das Gegenteil der Fall, denn wir haben antizyklisch einen Personalausbau im Bereich Vertrieb vorgenommen, um nicht nur auf die Symptome der Krise zu reagieren, sondern sich mit neuen Kunden, Produkten und Projekten gegen die Krise zu stemmen“, sagt Geschäftsführer Frank Schmitz. „Wir haben für uns entschieden, dass es mittel- und langfristig nicht ausreicht, ausschließlich auf die Erholung der Bestandsgeschäfte zu hoffen.“ Zudem hat man bei Kronenberg die Chance genutzt, das eigene Strategiekonzept „K 13“ völlig neu aufzustellen und dieses den immer heftiger ausschlagenden Konjunkturzyklen anzupassen.
Das Konzept umfasst unter anderem die zielgerichtete Akquisition neuer Märkte (z. B. im Bereich regenerativer Energien), Personalqualifikation und -motivation, die Optimierung und Flexibilisierung der Kosten- und Prozessstrukturen sowie die Nutzung der Synergien innerhalb der Bültmann-Unternehmensgruppe. „Seit Anfang 2010 verzeichnen wir eine deutliche Verbesserung der Abnahmesituation bei zahlreichen Kunden“, analysiert Schmitz. „Insbesondere die Branchen Automotive, Maschinenbau und Bauindustrie/Bauelemente entwickeln sich positiv.“ Gleich mehrere Großprojekte werden in 2011 anlaufen. Unter anderem werden zukünftig komplette Fensterführungen als Baugruppe für den dreitürigen Opel Astra und den neuen Opel Zafira in Leichlingen produziert. „Wir können also durchaus positiv in die Zukunft schauen“, sagt Schmitz und findet damit ähnliche Worte wie viele andere Unternehmer im Rheinisch-Bergischen Kreis.
Zu diesen Unternehmern gehört auch Dr. Karsten Evers. „Wenn mir vor einem Jahr jemand gesagt hätte, dass wir heute wieder an sieben Tagen pro Woche 24 Stunden produzieren, hätte ich
es nicht geglaubt“, sagt der Plant Manager und Managing Director der Federal-Mogul Burscheid GmbH. Anfang 2009 sah die Situation in den beiden Burscheider Werken noch ganz
anders aus: In verschiedenen Bereichen lag die Auslastung bei nicht einmal mehr 50 Prozent. „Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nicht gedacht, dass sich die Wirtschaft so schnell erholt“, so
Dr. Evers. Bereits im zweiten Quartal des Jahres 2009 konnte Federal-Mogul weltweit wieder schwarze Zahlen schreiben. Um besser und schneller auf wirtschaftliche Schwankungen
reagieren zu können, sollen auch künftig flexible Arbeitskräfte eingesetzt werden. Dr. Evers ist jedoch optimistisch: „Ich glaube nicht, dass die Wirtschaft in naher Zukunft noch einmal
so einbricht, wie wir es in jüngster Vergangenheit erlebt haben. Für 2011 rechne ich zunächst mit einer sehr starken Nachfrage.“
Bei der Kronenberg Profil GmbH und der Federal-Mogul Burscheid GmbH blickt man also (wieder) mit viel Zuversicht in die Zukunft – und liegt damit im Trend. Bereits im Sommer 2010
hatte ifo-Präsident Hans-Werner Sinn bei der Vorstellung des Geschäftsklimaindexes, der im Juli eine steil nach oben gerichtete Kurve vorwies, gesagt: „Die deutsche Wirtschaft ist
wieder in Partylaune.“
So weit möchte man in Overath bei der Aslan, Schwarz GmbH & Co. KG, einem der führenden Hersteller von innovativen Selbstklebefolien, zwar nicht gehen, doch Geschäftsführer
Oliver Schwarz kann nach einem „schwierigen Jahr 2009“ vermelden, „dass wir in 2010 mit den Umsätzen wieder auf dem Stand von 2008 angekommen sind“. Schwarz weiter: „Wir sehen
einen positiven Trend, vor allem für uns als einem sehr spezialisierten Unternehmen. Das hat uns auch ermutigt, den Investitionsstopp aufzuheben und neue Investitionen zu tätigen.
Ein neues Rohwarenlager und neue Büros wurden Ende letzten Jahres fertiggestellt.“
Und auch in anderen Unternehmen im Rheinisch-Bergischen Kreis wurde und wird investiert. So auch bei der Wermelskirchener Tente-Rollen GmbH. Dort sind 2011 mit 6,7 Millionen
Euro die größten Investitionen seit vielen Jahren geplant. Im Allgemeinen liegt das jährliche Investitionsvolumen zwischen 3,4 und 4,3 Millionen Euro. Geschäftsführer Paul Mutz ist
froh, wieder optimistisch nach vorne schauen zu können. Nach einem Umsatzrückgang von 30 Prozent lässt sich seit Herbst 2009 bei dem Hersteller von Rollen und Rädern ein positiver Trend
verzeichnen. Mehrere Mitarbeiter wurden wieder eingestellt, Auftragsspitzen durch Leiharbeit, Mehrschichtbetrieb und Samstagsarbeit abgefedert abgefedert. 2010 konnte gegenüber
2009 ein Wachstum von 25 Prozent verzeichnet werden. „Motor ist der deutsche Markt“, sagt Mutz. Aber auch der Umsatz mit den internationalen Schwestergesellschaften habe stark
angezogen. Pro Monat verlassen nun wieder etwa 1.600 bis 1.800 Tonnen Rollen allein das Wermelskirchener Werk.
Auch Jens Putzier, Geschäftsführer der 1981 gegründeten Putzier Oberflächentechnik GmbH (Leichlingen), sitzt mittlerweile wieder etwas entspannter am Schreibtisch.
Nach einem starken Wachstum in den Vorjahren hatte es 2009 einen „deutlichen Rückgang der Auftragseingänge und des Umsatzes“ gegeben, wie Geschäftsführer Jens Putzier auf
Nachfrage sagt. Unter dem Strich sei ein negatives Betriebsergebnis zu verzeichnen gewesen. Seit Anfang 2010 sei jedoch „wieder ein sehr guter Auftragseingang“ zu verzeichnen, was
Putzier zum einen auf eigene Marketingaktivitäten zurückführt, zum anderen auf ein neuartiges Beschichtungsverfahren. Beim sogenannten Kaltgasspritzen können reine Metallschichten
lokal auf Bauteile aufgetragen werden. In dieses innovative Verfahren, das weltweit nur wenige Unternehmen beherrschen, hat Putzier – trotz Wirtschaftskrise – 2009 investiert. Und
so rechnet der Geschäftsführer „für die nächsten Monate mit einer ungebrochen positiven Tendenz“ und sucht derzeit Mitarbeiter, um die zukünftigen Mehraufgaben bewältigen zu
können.
Mit „kalkulierter Flucht nach vorne“ auf die Krise reagiert hat auch Harald Goldbach, der in Bergisch Gladbach einen Großhandel für Geschenkpapiere, -artikel und Glückwunschkarten, die
Goldbach GmbH, führt. „Da mit einem Umsatzrückgang zu rechnen war, haben wir unser Vertriebsgebiet und die Vertriebsschienen erweitert“, so Goldbach. „Bis jetzt scheint
alles gut gegangen zu sein, es bleibt jedoch konstant und weiterhin das Problem der Vorfinanzierung“, sagt Goldbach, der glaubt: „Die Banken könnten durch freizügigere bzw. ein
wenig risikoreiche Unterstützung den Aufschwung extrem vorantreiben.“ Er ist jedoch zuversichtlich: „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Und gut geplant ist halb gewonnen ...“
Als Bindeglied zwischen Angebot und Nachfrage reagieren Logistiker sehr sensibel auf Veränderungen bei Angebot und Nachfrage und sind somit ein guter Indikator für die
gesamtwirtschaftliche Entwicklung. „Mit besonderer Härte und unmittelbar“ hatte 2009 die Krise die Bergisch Gladbacher Spedition Limbach + Höller GmbH getroffen, wie
Geschäftsführer Wolfgang von den Driesch im punkt.RBW-Gespräch sagt. Seit Anfang 2010 seien jedoch wieder deutlich mehr Aufträge eingegangen. Von den Driesch: „Da viele Unternehmen
in der Krise Lkw verkauft haben, gab es zeitweise sogar enorme Engpässe an Laderaum, sodass dringend allerorts Transporteure gesucht wurden.“
Auch wenn diese sieben Unternehmer-Aussagen natürlich nicht repräsentativ sind, so scheint es, dass die Stimmung in der Wirtschaft – auch im Rheinisch-Bergischen Kreis – wieder gut
ist und sich somit mit der Einschätzung der fünf „Wirtschaftsweisen“ deckt, die analysieren, dass Deutschland 2010 „mit einer überdurchschnittlich starken Erholung den Weg aus der
Krise gefunden“ hat. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung rechnet für dieses Jahr übrigens mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukts
von 2,2 Prozent.
Philipp Nieländer