So international ist die Wirtschaft in Rhein-Berg

Titelthema punkt.RBW 02/2011

„Der Rheinisch-Bergische Kreis ist auch für internationale Unternehmen ein idealer Standort“, meint Dr. Erik Werdel, RBW-Geschäftsführer. Zentral in der Metropolregion Rheinland gelegen, zeichnet sich der Kreis nicht nur durch seine hervorragende Verkehrs-Infrastruktur aus, sondern beispielsweise auch durch zahlreiche renommierte Forschungseinrichtungen und die Nähe zu mehreren Hochschulen, in denen hoch qualifizierter Führungsnachwuchs ausgebildet wird. Dr. Werdel: „Zudem können wir mit vielen weichen Standortfaktoren punkten. Es gibt also viele gute Gründe, sich hier anzusiedeln.“ punkt.RBW hat verschiedene international agierende Unternehmen besucht, um zu erfahren, welche Faktoren entscheidend für eine Ansiedlung im Kreis waren, welche Unterstützung sie erhalten haben und wie sie ihre Standortentscheidung mittlerweile bewerten. Außerdem haben wir mit Dr. Stefan Kayser, dem Leiter der Fachhochschule der Wirtschaft, darüber gesprochen, wie wichtig es ist, dass der akademische Nachwuchs international ausgebildet wird. Im Interview äußert sich Petra Wassner, Geschäftsführerin von NRW.INVEST zudem über die enge Zusammenarbeit von Land, Kreis und Städten bei Ansiedlungen und die künftige Ausrichtung der landeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft bei ihrer Akquisetätigkeit im Ausland.

China, USA, Kanada, Israel, Russland, Großbritannien, Frankreich, Finnland oder Italien. Das sind nur einige Beispiele von Ländern, in denen die Konzernmutter von Unternehmen aus Rhein-Berg beheimatet ist. „Wir freuen uns natürlich, dass der Rheinisch-Bergische Kreis auch für internationale Unternehmen ein attraktiver Standort ist“, sagt RBW-Geschäftsführer Dr. Erik Werdel. Analysiert man die Gründe, die für eine Ansiedlung gesprochen haben, stellt man fest: So unterschiedlich die Unternehmen sind, so unterschiedlich waren auch die Argumente, die für den Rheinisch-Bergischen Kreis gesprochen haben. Bei Johnson Controls (Europa-Zentrale seit 1996 in Burscheid) war es vor allem „die zentrale Lage zu all unseren europäischen Automobilkunden“, sagt Unternehmenssprecherin Astrid Schafmeister im punkt.RBW-Gespräch. Schafmeister weiter: „Ausschlaggebend war am Ende nicht nur die Nähe zu den attraktiven Großstädten in der Umgebung, sondern vor allem die gute infrastrukturelle Lage – besonders im Hinblick auf die Verkehrsanbindung.“

 

Die Nähe zum Flughafen Köln/Bonn war auch für ein Unternehmen entscheidend, das seit 1998 im TechnologiePark Bergisch Gladbach ansässig ist: Air Partner International – nach eigenen Angaben mit 20 Büros in 14 Ländern das größte Flugzeug-Charterunternehmen der Welt. Der Hauptsitz der Aktiengesellschaft befindet sich in London, die deutsche Air Partner Int. GmbH ist eine hundertprozentige Tochter. In der externen Kommunikation wird als Büro-Standort in der Regel Köln genannt, „weil das jeder direkt mit dem dortigen Flughafen in Verbindung bringt“, erklärt Unternehmenssprecherin Angelika Wiesen. Außerdem hätten ausländische Kunden häufig ein Problem damit, Bergisch Gladbach korrekt auszusprechen. Dennoch sieht sie die Kreisstadt als „idealen Standort“. Wiesen: „Von manchen Kölner Stadtteilen hätten wir eine deutlich längere Fahrzeit zum Flughafen als von hier.“ Am TechnologiePark schätzen Angelika Wiesen und ihre Kollegen, „dass es neben ideal zugeschnittenen Büros auch die Möglichkeit gibt, Besprechungs- und Tagungsräume nutzen zu können“. Auch der enge Kontakt zu anderen Unternehmen sei sehr positiv. „Im Park kommt man schnell und ungezwungen ins Gespräch“, sagt Wiesen.

„Im TechnologiePark mit seinen 75.000 Quadratmetern vermietbarer Gewerbefläche können wir auch internationalen Unternehmen einen sehr  attraktiven Standort bieten“, sagt der Bergisch Gladbacher Wirtschaftsförderer Martin Westermann. „Sie finden dort eine perfekte Infrastruktur vor und können schnell einziehen, ohne große Anfangsinvestitionen vornehmen zu müssen.“ Auch Maximilian Kleinle, Executive Vice President der Phoenix Mecano Management AG mit Sitz im schweizerischen Kloten, hält den TechnologiePark für einen Standort mit vielen Vorzügen. Nach der Insolvenz der OKIN-Gruppe hat das weltweit tätige Technologieunternehmen im Bereich von Industriekomponenten und Gehäusen im Jahr 2008 die OKIN-Bereiche Antriebslösungen für Komfortmöbel sowie Office übernommen. Der Sitz wurde von Gummersbach nach Bergisch Gladbach verlegt. Kleinle: „Wir wollen den Standort mittelfristig ausbauen. Mit der Nähe zu Köln und dem attraktiven Umfeld im Bergischen Land sind wir der Meinung, einen zukunftsorientierten Standort gewählt zu haben.“


Es zählen nicht nur harte Standortfaktoren

Doch nicht nur harte Faktoren sind für die Wahl des Standortes entscheidend, wie Astrid Schafmeister (Johnson Controls) betont: „Wichtig ist für uns auch die Nähe zu internationalen Schulen für die Kinder unserer ausländischen Mitarbeiter. Daneben bietet die Region auch im Hinblick auf die Naherholung gute Voraussetzungen. So besitzt das Bergische Land einen hohen Freizeitwert, der durch das kulturelle Angebot und die Einkaufsmöglichkeiten in den Großstädten optimal ergänzt wird.“ Diese Vorzüge stellt Berthold Kalsbach, als Erster Beigeordneter der Stadt Rösrath auch für die Wirtschaftsförderung zuständig, immer wieder heraus, wenn er mit Ansiedlungsinteressenten spricht. Kalsbach weiß aber auch: „Die Konkurrenz ist groß.“ Gerade international agierende Unternehmen gehen oft deutschland- oder sogar europaweit auf die Suche nach einem geeigneten Standort. „Punkten können wir durch Flexibilität, geringe Bürokratie und schnelle Entscheidungen.“ Dass dieser Punkt wichtig ist, bestätigt Andreas Dressler, der als Unternehmensberater seit vielen Jahren Unternehmen bei der Entwicklung internationaler Expansionsstrategien und der Standortsuche unterstützt: „Nicht nur die hervorragende Infrastruktur und niedrige Steuersätze sind ein Pfund, mit dem Wirtschaftsförderer wuchern können, sondern vor allem eine schnell und flexibel handelnde Verwaltung“, sagte er im Forum deutscher Wirtschaftsförderer, an dem auch die Rheinisch-Bergische Wirtschaftsförderungsgesellschaft teilgenommen hat.

Volker Suermann, stellvertretender RBW-Geschäftsführer, weiß aus Erfahrung, dass es der falsche Weg ist, ein Unternehmen mit großen Versprechen in den Kreis zu locken: „Unternehmer erwarten nicht nur während der Ansiedlungsphase, sondern auch danach eine partnerschaftliche Begleitung, kompetente Ansprechpartner, auf das Unternehmen zugeschnittene Informationen sowie flexible und praktische Unterstützung. All das bieten die RBW und die Kollegen der kommunalen Wirtschaftsförderer.“ Lob gibt es von Astrid Schafmeister: „Die Stadt Burscheid war im Laufe des Ansiedlungsprozesses sehr kooperativ und stand uns schon damals bei allen Fragen stets als engagierte und kompetente Ansprechpartnerin zur Verfügung. Kurze Abstimmungswege und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit kennzeichnen auch heute noch unser Verhältnis zur Stadt.“

Neben all den genannten Faktoren ist „auch eine gute Verfügbarkeit von Talenten wichtig“, weiß Unternehmensberater Andreas Dressler. „Unsere Studenten stehen sogar bereits während des Studiums zur Verfügung“, sagt Dr. Stefan Kayser, Leiter der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW) in Bergisch Gladbach. Möglich macht dies das duale Studium, bei dem die Studierenden regelmäßig zwischen Hochschule und Partnerunternehmen wechseln. Die FHDW unterhält viele Kooperationen zu ausländischen Hochschulen. Regelmäßig unterrichten dort Dozenten der FHDW. Umgekehrt bringen ausländische Dozenten ihr Wissen an die deutsche Hochschule. Durch diesen regelmäßigen Austausch ist es möglich, den Studenten im Bereich internationales Management fit zu machen. „Wichtig ist beispielsweise, dass die Absolventen wissen, was in verschiedenen interkulturellen Kontexten zu beachten ist“, sagt der Hochschulleiter.

„Die Unternehmenskultur wird zwar zumeist ein Stück weit den deutschen Gepflogenheiten angepasst, wenn sich ein Unternehmen hier niederlässt, aber es bleiben doch Besonderheiten, die man kennen sollte.“ Dies ist eine These, die auch für die GKN Service International GmbH in Rösrath zutrifft. „Innerhalb des GKN-Konzerns gibt es eine einheitliche Unternehmenskultur. Diese ist in einer „Global Policy“ zusammengefasst und wird regelmäßig von der GKN-Muttergesellschaft in Großbritannien an alle Standorte weltweit kommuniziert“, sagt Maria Dörpinghaus, unter anderem für den Bereich Marketing zuständig. Der Zulieferer für die Automobil-, Geländefahrzeug- sowie Luft- und Raumfahrtbranche hat Rösrath vor allem aufgrund der „unmittelbaren Nähe zu den wichtigsten Hauptverkehrsachsen in Deutschland und Europa“ als Logistikstandort ausgewählt. Dazu zählt für Dörpinghaus neben der Nähe zum Flughafen Köln/Bonn und den Autobahnen A1, A3 und A4 auch die Binnenschifffahrt auf dem Rhein. Die Zentrale im Gewerbegebiet Nussbaumweg liegt nur vier Kilometer von der Anschlussstelle Königsforst entfernt und ist über die L 284 schnell zu erreichen.

Auch Global Player sind regional verwurzelt

Dennoch ist es auch für einen Global Player wie Johnson Controls oder GKN wichtig, ein Stück weit als „regional verwurzeltes Unternehmen“ wahrgenommen zu werden. „Wir wissen, dass auch die Kommunikation mit dem Umfeld wichtig ist“, sagt Astrid Schafmeister. „Als einer der größten Arbeitgeber hier am Standort sind wir uns unserer sozialen Verantwortung durchaus bewusst. Wir pflegen ein gutes Verhältnis zu verschiedenen Institutionen, wie beispielsweise zum Kinder-schutzbund, zur Burscheider Tafel, zum Kinder- und Altenheim, zu beiden konfessionellen Kirchen und natürlich auch zu den Vereinen.“

Ähnlich ist es bei GKN in Rösrath: „Regionales Engagement bedeutet für uns in erster Linie, als Arbeitgeber vor Ort positiv wahrgenommen zu werden. Wir unterstützen unsere Mitarbeiter, die sich für die Gemeinde oder die Region engagieren – als Beispiel sei hier unser Engagement für die Freiwillige Feuerwehr Rösrath genannt, für das unser Unternehmen in 2010 mit der Förderplakette des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet wurde“, so Maria Dörpinghaus.

Auch wenn in mehreren Städten des Rheinisch-Bergischen Kreises die freien Gewerbeflächen knapp werden, betreiben NRW.INVEST, die RBW und die kommunalen Wirtschaftsförderer weiterhin aktives Standortmarketing – unter anderem auf der Internationalen Gewerbeimmobilienmesse EXPO REAL im Herbst in München. „Der Rheinisch-Bergische Kreis ist stark in den Bereichen Automotive, Gesundheitswirtschaft und Erneuerbare Energien/Umwelttechnologien. Unternehmen dieser Branchen finden hier besonders gute Kunden- und Lieferverflechtungen vor“, sagt Dr. Erik Werdel. „Da macht es natürlich Sinn, diese Bereiche durch weitere Ansiedlungen zu stärken.“ Man will sich jedoch nicht auf bestimmte Branchen fokussieren. „Eine Stärke des Wirtschaftsstandorts ist gerade, dass er sehr breit aufgestellt ist, was ihn wenig konjunkturanfällig macht.“

Johnson Controls hat Standortwahl nie bereut

Die vermutlich beste Werbung ist jedoch meistens die Mundpropaganda von Firmen, die bereits im Rheinisch-Bergischen Kreis ansässig sind. Und die zeigen sich mit ihrer Wahl für den Rheinisch-Bergischen Kreis zufrieden. „Wir sind froh, dass wir damals mit Burscheid die richtige Standortwahl getroffen haben, und haben diese Entscheidung nie bereut“, sagt beispielsweise Johnson-Controls-Sprecherin Astrid Schafmeister. „Ja, es war die richtige Entscheidung, sich in Bergisch Gladbach anzusiedeln“, findet auch Maximilian Kleinle, Geschäftsführer der OKIN Motion Technologies GmbH. Und Angelika Wiesen von Air Partner International sagt: „Wir fühlen uns hier sehr gut aufgehoben.“ Philipp Nieländer