Bergemann: Individuelles Sortiment und gute Beratung - seit 1890

Taeglich.ME, 10. Januar 2019

In einer neuen Taeglich.ME-Serie stellen wir inhabergeführte Einzelhandelsgeschäfte vor - mit ihrer Historie und den Strategien, wie sie dem stärker werdenden Onlinehandel begegnen. Den Auftakt macht Lederwaren Bergemann mit Inhaber Christoph Schulze.

Wer das Geschäft "Bergemann" an der Freiheitstraße betritt, taucht schnell in die lange Firmen-Geschichte ein. An den Wänden hängen Fotos der verschiedenen Generationen der Inhaber, das erste Ladenschild und sogar die erste Seite aus dem Kassenbuch - noch fein säuberlich in Sütterlin geschrieben und datiert auf den 11. November 1890.

"Gegründet wurde das Geschäft von meinem Uropa Bernhard Bergemann", erzählt Christoph Schulze (50). Zunächst befand sich der Laden dort, wo heute die Biber-Apotheke am Lavalplatz Medikamente verkauft. "Damals gab es ein breit gefächertes Angebot - von Zigarren über Kolonialwaren bis hin zu Schreibwaren nebst einer Buchbinderei", weiß Christoph Schulze.


Auch Papierkrägen für den feinen Herrn waren bei Bernhard Bergemann erhältlich. Außerdem verkaufte der gläubige Katholik auch Madonnen und andere Devotionalien, die vor allem bei den St. Lambertus-Kirchgängern gefragt waren.

 

1900 zog das Geschäft zum Markt

 

"Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keine Kaufmanns-Tradition in der Familie", sagt Christoph Schulze. Ein Bruder von Bernhard Bergemann war Hotelier und führte den Breidenbacher Hof in Düsseldorf, der andere Bruder wanderte nach Brasilien aus.

1900 zog das Geschäft zum Markt - "damals ein pulsierendes Stadtviertel", weiß Christoph Schulze aus Überlieferungen. Auf Bernhard folgte in der nächsten Generation wieder ein Bernhard, der jedoch im Zweiten Weltkrieg eingezogen wurde und vor Moskau fiel. "Wir waren nach dem Kriegsende die ersten im Kreis Mettmann, die eine Lizenz für den Bücherverkauf erhielten, weil wir nie Nazi-Literatur angeboten haben", so Schulze, dessen Großmutter fortan das Geschäft führte.

 

Das Sortiment wurde umgestellt

 

"Schultornister hatten wir immer schon", sagt Christoph Schulze, "irgendwann wurden dann auf einer Messe die ersten Taschen eingekauft". Hildegard Schulze, heute 75 Jahre alt und immer noch an einigen Tagen im Laden anzutreffen, erkannte die Zeichen der Zeit und stellte Schritt für Schritt das Sortiment in Richtung Lederwaren um.

Mit dem Umzug vor sieben Jahren vom Markt an die Freiheitstraße wurde der nächste Generationenwechsel vollzogen. Christoph Schulze, ausgebildeter Kaufmann im Einzelhandel, elf Jahre im Verkauf in der Herrenausstattungs-Abteilung des Düsseldorfer Carsch-Hauses und danach mit im elterlichen Laden eingestiegen, übernahm das Ruder. "Der Umzug aus meinem geliebten Haus am Markt runter an die Freiheitstraße ist mir wirklich schwer gefallen", sagt er. Aber es sei die richtige Entscheidung gewesen. "Am Markt war immer weniger los, es gab kaum noch Laufkundschaft." Und spätestens mit der Verlegung des Wochenmarktes auf den Jubiläumsplatz sei der Umzug "runter in die Stadt" unumgänglich geworden. "Wir wurden dort oben regelrecht vergessen."

 

Kundenfrequenz geht spürbar zurück

 

Auf die aktuellen Entwicklungen blickt Schulze mit etwas Sorgenfalten. "Die Kundenfrequenz in der Fußgängerzone wird immer weniger", sagt Schulze. Im Weihnachtsgeschäft sei sehr auffällig gewesen, dass kaum Auswärtige in der Fußgängerzone unterwegs gewesen seien.

Den Kopf in den Sand stecken, auf die Netztrennung und den Online-Handel schimpfen, ist allerdings nicht Schulzes Ding - auch wenn er sich immer wieder mal über Menschen ärgert, die sich ausgiebig von ihm beraten lassen - und am Ende für 2 Euro weniger im Internet bestellen. "Eben diese ordentliche Beratung ist es aber, die den örtlichen Einzelhandel auszeichnet", ist sich der 50-Jährige sicher: "Man darf Kunden nichts aufschwatzen, sondern verschiedene Alternativen mit allen Vor- und Nachteilen aufzeigen." Nur so könne man aus Kunden Stammkunden machen. Dazu komme ein individuelles Sortiment, das es nicht überall gibt.

 

So hat Christoph Schulze vor einiger Zeit Hüte, Schiebermützen und Handschuhe ins Sortiment genommen. Dabei verlässt er sich häufig auf sein Bauchgefühl - und den eigenen Geschmack: "Ich könnte nichts verkaufen, was mir so gar nicht gefällt." Inspirieren lässt er sich auf Messen - oder auch bei einem Bummel über die Acker- und Lorettostraße in Düsseldorf.

 

Schulze, der sich auch auf verschiedene Weise im Stadtleben engagiert - so spielte er im Dezember beim benachbarten Café Dal Pastore den Nikolaus und organisiert mit einer kleinen Truppe alljährlich den Martinszug in der Innenstadt -, hat für die Zukunft einige Ideen. "Und der Mettmanner Einzelhandel ist auf jeden Fall besser als sein Ruf."