TME-Serie | ME:nschen. In unserer neuen Serie stellen wir unterschiedliche Menschen aus Mettmann vor - Menschen, die man vielleicht vom Sehen kennt, aber nicht die Geschichte(n) der Person. Den Auftakt macht Roland Lausberg, der einst Polizist war, dann mit Behinderten gearbeitet hat und heute mit seinen Fotos begeistert.
Wer in letzter Zeit ein Handballspiel von me-sport besucht oder Anfang Mai beim Bachlauf die Sportler anfeuert hat, hat ihn bestimmt gesehen. Zu erkennen ist Roland Lausberg an der Kamera, hinter der sich das Gesicht häufig versteckt. Eine Auswahl der "geschossenen" Bilder des 66-Jährigen sind im Anschluss in der Regel auf seiner Facebook-Seite zu sehen.
Geboren wurde Roland Lausberg in Hilden. Aufgewachsen ist er in Düsseldorf. "So richtig weit weg bin ich danach nie gezogen", sagt er lachend. Nach einem Intermezzo auf der anderen Rheinseite ist er über eine weitere Zwischenstation - Hochdahl - in Mettmann gelandet - in seiner Heimat, wie er die Stadt bezeichnet.
Bei einem Cappuccino im Café Dal Pastore kommt Lausberg schnell ins Erzählen - und seine Geschichten sind spannend und überraschend - auch für den Taeglich.ME-Redakteur, der bis dahin eigentlich
nur wusste, dass Lausberg gerne mit dem Wohnmobil unterwegs ist und beruflich "irgendwas im sozialen Bereich" gemacht hat.
"Als Jugendlicher habe ich Kunstturnen gemacht", erzählt Lausberg - und erwähnt beiläufig, dass er erfolgreichster Düsseldorfer Turner war - bis zu einer Verletzung. Weil der Vater Polizist war
und dort der Sport gefördert wurde, entschied sich auch der Sohn, diese Laufbahn einzuschlagen. Als er 1974 mit der Ausbildung fertig war und das Examen in der Tasche hatte, kam er über Kontakte
an einen ganz besonderen Posten: Er wurde nach dem Vorbild der Eliteeinheit GSG9 Gründungsmitglied der ersten SEK-Einheit Düsseldorfs und war anschließend an zahlreichen Einsätzen beteiligt.
Einige sind ihm besonders im Gedächtnis geblieben: Als Undercover-Ermittler kaufte er 500 Gramm Heroin, einen Mörder konnte er kurz nach der Tat in dessen Wohnung festnehmen. "Die blutigen Sachen
lagen noch im Waschbecken", erinnert sich der heute 66-Jährige. Auf jemanden schießen musste er - "Gott sei dank" - nie, einmal haben allerdings zwei Bankräuber versucht, auf einem
Autobahnparkplatz auf die Beamten zu schießen. "Das war brenzlig", so Lausberg.
Er merkte im Laufe der Jahre aber auch, dass ihn der Beruf nicht erfüllt - nicht wirklich glücklich macht. "Ich habe immer die Menschen hinter den Tätern gesehen", so Lausberg. Immer öfter fragte
er sich, wie man Menschen im Vorfeld helfen kann - statt sie nach einer Tat zu bestrafen. Und so warf er von einem Tag auf den anderen den Job hin - einen gut bezahlten Job, war er doch
mittlerweile im gehobenen Polizeivollzugsdienst tätig. "Es kam mir aber nie auf's Geld an, sondern auf den Spaß am Beruf", sagt er. Und so landete er zunächst im Altenheim Bavier, dann auf dem
Mettmanner Benninghof. Er absolvierte erfolgreich die Ausbildung zum Heilerziehungspfleger, wurde schnell Gruppenleiter, dann Teamleiter. Von 1992 bis 2000 lebte er mit seiner Familie auf dem
Gelände vor den Toren Mettmanns, hat dort geheiratet und seine Kinder taufen lassen. Während einige Verwandte diesen Schritt nicht verstehen konnten, habe sich die Familie in diesen Jahren sehr
wohl gefühlt. "Es war wie auf einer Insel", beschreibt er es - eine geschützte Umgebung, in der seine Kinder unbeschwert aufwuchsen. Es gab aber auch keinen wirklichen Feierabend, keine Distanz
zum Arbeitsplatz - auf Dauer durchaus belastend.
Mit der eingeleiteten Dezentralisierung änderte sich auch das Leben für Lausberg. Er kaufte Eigentum in Mettmann-Süd und war ab 2004, als sich das Benninghof-Gelände immer mehr leerte, für die
Wohngruppe an der Hammerstraße mit zuständig. "Ich war rundum zufrieden und glücklich", erinnert sich Lausberg an diese schöne Zeit. Lausberg arbeitete viel - oft auch an den Wochenenden. Das
Private stand immer hinten an. Ausgleich bot lediglich die Fotografie: "Wie wohl die meisten Menschen habe ich mit Urlaubsfotos angefangen - und damit, die Kinder zu fotografieren.", erzählt der
Mettmanner, der sich, um bessere Ergebnisse zu erzielen, irgendwann die "halbwegs erschwingliche" Canon D450 anschaffte und damit vor allem Makro-Fotos machte. "Ich bin losgezogen, habe im Laub
gewühlt, um kleine Tiere darunter zu finden", so Lausberg. "Darauf war ich total fokussiert, ich konnte in diesen Augenblicken abschalten und den Kopf freibekommen. Das war immer eine Erlösung."
Sonst schwirrte Lausberg der Job oft auch nach Feierabend im Kopf herum - die manchmal nicht schönen Geschichten der Menschen ...
Er flüchtete sich immer mehr in die Welt der Fotografie, schaffte sich eine Canon 7D an, "weil ich mit der Qualität der Bilder nicht mehr zufrieden war". Lausberg, Sternzeichen Skorpion,
bezeichnet sich als Perfektionist, als ehrgeizig - zu dieser Zeit auch auf der Suche nach Anerkennung. "Ich habe meine Bilder in Fotocommunitys veröffentlicht und konnte mich darüber freuen, wenn
sie häufig angeklickt und von anderen Fotografen gelobt wurden.
Dann der Schock: Es deutete sich über einen längeren Zeitraum an, dann streikte der Körper endgültig. Diagnose: Burnout. "Meine Frau und ich haben zu der Zeit gerne getanzt", so Lausberg.
"Irgendwann konnte ich mir nicht mal mehr die Schritte merken - alles wurde zu viel." Lausberg wurde depressiv, verkroch sich immer mehr.
Es war ein langer und harter Weg zurück aus diesem Tief. Ein Weg, der zwei Jahre lang gedauert hat und mit einem vorzeitigen Ausscheiden aus dem Berufsleben flankiert wurde. 2013 ging es Lausberg
deutlich besser - und es kam zu einer Begegnung, die einiges verändern sollte: Er wurde von Markus "Bibo" Flieter angesprochen, ob er nicht mal die Handballer von me-sport fotografieren könne. Er
sagte zu. "Handball ist eine tolle Sportart", findet Lausberg, "weil es viel Action und Körpereinsatz gibt" - reizvoll für ihn als Fotografen. Er fuchste sich immer mehr rein, analysierte Spieler
und Spielzüge, um immer im richtigen Moment auf den Auslöser zu drücken. "Die schnelle Reaktion und eine gute Beobachtungsgabe habe ich im Polizeiberuf gelernt", so Lausberg, die für das Ergebnis
notwendige Kreativität sei durch die pädagogische Arbeit mit den Behinderten hinzugekommen. Und so sieht er sich nicht als Zuschauer mit Kamera, sondern als Mitspieler, als Teammitglied. "Ich
denke Spielzüge mit, weiß, wie die einzelnen Spieler ticken, wann sie wie werfen ..."
450 bis 500 Bilder kommen so pro Spiel schnell zusammen. "Was manche nicht verstehen", so Lausberg, "ist die Tatsache, dass Fotografieren eine anstrengende Sache ist." Nicht nur geistig, auch
körperlich. Am Ende des Spiels schmerzen Unterarm und Handgelenk des Extremsportlers, der früher am Strand Buggykiting betrieben und in den Bergen "ziemlich extrem" Mountainbike gefahren ist.
Nach dem Spiel steht dann die Nachbearbeitung an, die mehrere Stunden in Anspruch nimmt, "obwohl ich da mittlerweile Kompromisse eingehe und meinen eigenen Anspruch schon zurückschraube". Ein
"Sieg" ist für Lausberg, wenn er möglichst viele Treffer ("gute Fotos") schießen konnte und nur wenige Fehlwürfe ("schlechte Fotos") im Kasten hat. Fast immer gewinnt Lausberg - es gibt aber auch
Niederlagen, die meist dann passieren, wenn er einen konkreten Auftrag bekommt. "Das setzt mich unter Druck", sagt er, "dann bin ich mit dem Ergebnis subjektiv oft unzufrieden, auch wenn anderen
die Fotos gefallen".
Gestellte Fotos mag Lausberg nicht - er fängt lieber Situationen ein - gibt den Fotos so seine ganz eigene Handschrift. Über Lob freut sich der Fotograf natürlich immer. "Aber da bin ich
mittlerweile viel entspannter als früher." Wichtig ist ihm nur noch die Meinung von Menschen, die ihm wichtig sind. "Klickzahlen interessieren mich auch nicht mehr großartig", sagt Lausberg.
Schöner ist es, wenn er jemanden mit einem Bild ein zufriedenes Lächeln auf die Lippen zaubern kann. "Da kommt es nicht auf die Quantität an."
Abschalten kann Lausberg mittlerweile auch besser als früher. Gemeinsam mit seiner Frau reist er viel und gerne, freut sich schon auf den Tag, an dem sie auch in den Ruhestand wechselt. Seine große Liebe ist Italien. Dort - ganz im Süden - war er 1963 das erste Mal mit seinen Eltern: 2000 Kilometer Fahrt - in eine Gegend, in der Tourismus damals noch ein Fremdwort war. Später ist er allein dorthin gereist - und auch die erste Urlaubsreise mit seiner Frau führte - wie sollte es anders sein - nach Italien, wo er mittlerweile am liebsten in Levanto ist. Aber auch ein langes Wochenende in Holland darf es sein, natürlich mit Hund, meist mit Kamera. "Aber es gibt mittlerweile Tage, wo ich ohne Kamera unterwegs bin", sagt Lausberg - "Ich möchte meine Frau ja auch nicht die ganze Zeit damit nerven. Sie muss ja so schon genug mit mir durchmachen ..."