Hans-Dieter Stemmer koordiniert die Abfertigung von Flugzeugen. Er überwacht Lader, Putzpersonal und die Betankung - ein Kampf gegen die Uhr.
"Schönen guten Tag in Düsseldorf, die Stopps liegen, der Strom ist angeschlossen." Nach diesem Satz beginnt der Wettlauf gegen die Zeit. Die Armbanduhr ist nach dem Funkgerät das wichtigste
Arbeitsgerät von Hans-Dieter Stemmer. Oft bleiben nur 25 Minuten, um ein gelandetes Flugzeug wieder "flugfähig" zu machen. Der 45-Jährige ist Ramp Agent am Düsseldorfer Flughafen. Er überwacht
und koordiniert alle anfallenden Arbeiten: Reinigung, Betankung, Beladung und Catering.
Als der Airbus A 320-200 der Lufthansa an der Fluggastbrücke andockt, ist Stemmer bereits zur Stelle. Er schiebt die gelben Holzklötze in Flughafensprache Stopps genannt vor und hinter die beiden
kleinen Vorderreifen, öffnet eine kleine Klappe und schließt das lange Kabel seines Headsets spezielle Kopfhörer mit Mikrofon an dem Flugzeug, das den Namen "Halle/Saale" trägt, an. So kann er
trotz lärmender Triebwerke mit dem Piloten kommunizieren. Und auch die Lufthansa-Zentrale in Frankfurt erfährt, dass ihre Maschine "in guten Händen" ist.
Ein kurzes Lächeln für die Flugbegleiterin
Sekunden später stürmt Stemmer die 22 Metallstufen der Arbeits-Gangway hinauf und steht vor der noch geschlossenen Tür im Bug des Fliegers. Auf sein Klopfen öffnet sie sich langsam. Als die
Flugbegleiterin ihren Kopf nach draußen streckt, begrüßt der 45-Jährige sie mit einem freundlichen Lächeln und einem schnellen "Hallo".
Während die ersten Passagiere aussteigen, steht Stemmer schon wieder auf dem Vorfeld und studiert den Ladeplan, der für Laien nicht zu verstehen ist: "6/72" ist in einer Spalte zu lesen. "Das
bedeutet, dass für den Flug nach München insgesamt 78 Passagiere an Bord gehen, davon 72 in der Economy und sechs in der Business Class", erklärt der Familienvater, der bereits 18 Jahre am
Flughafen arbeitet. Der Pilot benötigt diese Zahl, um mit Hilfe des Bordcomputers das Startgewicht und die Tankmenge berechnen zu können.
Der Tankwagen steht bereit, doch bevor nicht alle Fluggäste den Flieger verlassen haben, kann der Schlauch nicht angeschlossen werden. "Zu gefährlich", sagt Stemmer.
Alle Fotos: Philipp Nieländer
Als der letzte Geschäftsmann aktenkofferschwingend den Flieger verlässt, hat Stemmer sein Funkgerät wieder am Mund: "Ok, kann losgehen." Die Entladung des Gepäcks ist unterdessen fast abgeschlossen. Das "Staubsauger-Geschwader" rückt bereits Krümeln, Zeitungen und anderem Müll zu Leibe. "Catering brauchen wir nicht", erklärt Stemmer. "Die haben in München gleich alles für den Rückflug mitgenommen."
Stemmer ("Ich bin ein pünktlicher Mensch, aber manchmal sind einem die Hände gebunden") blickt auf die Uhr, während das Kerosin in den Rumpf schießt. Eine Anzeige, die aus dem Cockpit bedient
wird, signalisiert dem Tankwart die gewünschte Menge. "Funktioniert eigentlich sehr gut", sagt Stemmer. Eigentlich. Eine Übertankung ist immer ärgerlich. Kann das überschüssige Kerosin nicht bis
zum Start verbrannt werden, muss abgepumpt werden. "Und das kostet verdammt viel Zeit", sagt Stemmer. Die Passagiere müssen den Flieger wieder verlassen, die Feuerwehr angefordert werden. "Da
kommen 45 Minuten schnell zusammen", so der Ramp Agent. Heute geht beim Tanken alles glatt. Dafür fehlt allerdings das Gepäck. "Wo bleiben denn meine Koffer", fragt der 45-Jährige per Funk nach.
Eine Minute später steht der Container "AKH 38 575" neben der Maschine. Sein Inhalt: 435 Kilogramm Gepäck der Passagiere. Zwei Koffer, die mit roten Aufklebern versehen sind, stehen einsam auf
dem Vorfeld. "Warteliste", erklärt Stemmer. "Ich muss gerade mal am Gate nachfragen, ob die mitkommen." Es klappt.
Stemmer spricht mit dem Piloten und gibt ihm den Abschlussbericht mit allen Gewichtsangaben. Für jeden Fluggast werden 86 Kilogramm veranschlagt. Eine Minute später kann das Einsteigen der
Passagiere beginnen.
Der Ramp Agent ("Agent klingt immer wichtig, oder?") lächelt. Zum ersten Mal seit der Landung der D-AIQF, so der internationale Rufname "seiner" Maschine. Er weiß: Wenn jetzt nichts mehr schief
geht, rollt der Flieger pünktlich zur Startbahn. Risikofaktor sind jetzt nur noch die Passagiere. Verspäten sich mehrere, verzögert sich auch der Abflug. "Das ist immer etwas ärgerlich, weil man
selbst einen guten Job gemacht hat." "Boarding completed", schnarrt es aus Stemmers Funkgerät. Alle sind an Bord. "Triebwerke klar zum Start" fragt der Pilot. "Ok, Triebwerke an", antwortet
Stemmer. Sein Abschiedssatz geht schon im Dröhnen der Turbinen unter. Um 10.17 Uhr drei Minuten vor der geplanten Abflugzeit verschwindet der Airbus in den Wolken über Düsseldorf.
Von Philipp Nieländer