Griechenland das sind die Inseln Kreta, Korfu und vielleicht noch Rhodos. Das war es dann aber auch. Mehr gibt es nicht. Zu diesem Eindruck muss man jedenfalls beim Blick in die Kataloge
vieler Reiseveranstalter gelangen. Dass Hellas neben den 8841 Inseln, von denen immerhin 114 bewohnt sind, auch noch aus einem Festland besteht, wird oft vergessen.
Für Miltos Ritas zählte jahrelang auch nur der Insel-Touristentrubel. Er war Geschäftsführer in einem Hotel mit 570 Betten auf Korfu. "Irgendwann habe ich gemerkt, dass das einfach nicht das
Richtige für mich ist." Der 48-Jährige haderte nicht nur, sondern handelte auch. Er kaufte vor fünf Jahren das Gasthaus und die alte Schule im kleinen Bergdorf Koukouli.
Der Epiros im Nordwesten Griechenlands ist sicherlich eine der landschaftlich beeindruckendsten Regionen Griechenlands. Die gewaltige Gebirgslandschaft entspricht so gar nicht dem Bild, das sich
die meisten Urlauber vom sonnigen Griechenland machen. Nicht weiße Würfelhäuschen und liebliche Landschaften, sondern schroffe, unberührte Gebirgsregionen und abgelegene Bergdörfer prägen das
Bild.
Und genau so ein Dorf ist Koukouli. Miltos Ritas hat die um 1830 errichteten Steinhäuser liebevoll renoviert. Kein Zimmer gleicht dem anderen, alle sind anders geschnitten und eingerichtet. In
einigen muss man zum Duschen in den Keller, in anderen kann man gemütlich vor dem Kamin sitzen. Den historischen Charme haben sie durch den Umbau nicht verloren. Koukouli gehört zur Zagoria,
einer Gemeinschaft von 46 Dörfern zwischen dem Mitsikeli und den Tymfi-Bergen. Sie bilden eine geografische, architektonische und kulturgeschichtliche Einheit. Die meisten Orte entstanden um
1400, als sich die Bevölkerung ins Gebirge zurück zog. Die meisten konnten sich auch während der Türkenherrschaft unabhängig halten. Allen Dörfern gemeinsam ist die ungewöhnliche Architektur der
meist zweistöckigen Häuser, die mit Schieferplatten gedeckt sind. Die schmalen Dorfgassen sind gepflastert, Querleisten bieten den Hufen der Maultiere Halt.
Abends sitzt Miltos Ritas oft mit seinen Gästen unter der alten Platane. Sirtaki wird nicht getanzt. "Das machen eigentlich nur die Touristen und es passt auch so gar nicht in diese Gegend",
findet der 48-Jährige. Statt dessen erklingen Dimotika-Melodien, eine leicht melancholische Volksmusik, in der Lauten und Klarinetten die beherrschenden Instrumente sind. Beliebtestes Getränk ist
der Zipouro, vergleichbar mit dem italienischen Grappa. Und natürlich gibt es auch den brühmten griechischen Wein, den schon Udo Jürgens besungen hat. Und so lernt man schnell eine Vokabel dazu:
"Yamas" und das bedeutet "Prost!"
"Ich genieße den engen Kontakt mit den Touristen, die zur Erholung oder zum Wandern hierher kommen. Ein ganz anderes Klientel als auf Korfu", sagt der Ex-Hotelmanager und jetzige
Tavernenbesitzer.
In der Nähe befindet sich der Nationalpark Vikos-Aoos, der 1971 zum Schutz der einzigartigen Flora und Fauna geschaffen wurde. In unberührten Gebieten leben neben Wildziegen und Wölfen auch
unzählige Luchse und sogar Braunbären. Die Vikos-Schlucht ist mehr als zehn Kilometer lang, ihre Wände fallen etwa 600 Meter tief senkrecht hinab. Das ist einmalig in Europa. Eines der
großartigsten Panoramen Griechenlands können Naturliebhaber erleben, wenn sie vom Dörfchen Monodendri (hier machen im Sommer viele Touristen Station und besuchen die Kirche des heiligen
Athanasios) aus über eine sieben Kilometer lange Schotterpiste zum Vikos-Balkon fahren: Der Blick über dichte Wälder hinab in die Tiefe ist nichts für Menschen mit Höhenangst. Natürlich kann die
Schlucht auch durchwandert werden. Einen Abstecher sollte man auch zur Steinbrücke von Plakidas mit ihren drei Bögen unternehmen. 191 Bogenbrücken gibt es insgesamt im Epiros. Aber noch einmal
zurück nach Koukouli: Gleich neben der Taverne befindet sich der Eingang zur 1630 erbauten Kirche. Der ist nur 1,60 Meter hoch, dafür ist der Schlüssel aber 30 Zentimeter lang. In der Kirche
Kronleuchter, roter Teppichboden und viel Goldschmuck. Die Fresken wurden damals von örtlichen Malern gestaltet. Einmal im Jahr kommt sogar der Bischof in das abgelegene Bergdörfchen und zwar
immer am 15. August, Mariä Himmelfahrt. Sein Platz, ein roter "Thron", bleibt die restlichen 364 Tage frei.
Wer auf das Wasser nicht ganz verzichten möchte: Zwischen Igoumenitsa und Preveza gibt es unzählige kleine Buchten und auch längere Strände meistens ein Sand-Stein-Kies-Gemisch. Und auch
Flipper-Fans kommen auf ihre Kosten. In verschiedenen Häfen werden Delfin-Beobachtungstouren angeboten.
Von Philipp Nieländer